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Der Passierschein A38

Gibt es den Passierschein A38 tatsächlich? Es ist eine Aufgabe für Aserix und Obelix in “Asterix erobert Rom”. Und so wird es allgemein bezeichnet, wenn man eine “Formalität verwaltungstechnischer Art” durchführen soll, aber zu keinem Ergebnis kommt, weil man von Pontius zu Pilatus geschickt wird, weil sich Aussagen widersprechen oder weil man manche Bedingungen gar nicht erfüllen kann, weil sie anderen Regelungen zuwiderlaufen. Wenn halt der Amtsschimmel wiehert. Man fühlt  sich wie der Buchbinder Wanninger? Kennt Ihr das? Gut dass in der EU alles geregelt ist und auch noch so einheitlich.

Sarkasmus aus.

Nein, es geht nicht um die Anmeldung des Gewerbes. Das hat auf allen Ebenen überraschend gut geklappt. Ich habe immer eine Information mit den nächsten Schritten bekommen, das hat sehr gut gepasst. Ein dickes Lob an alle beteiligten Stellen, von der Gemeinde über das Finanzamt bis zur Berufsgenossenschaft. Dankeschön. Ihr habt mir sehr geholfen.

Es geht hier auch nicht darum, eine Person oder ein Amt an den Pranger zu stellen, nein, alle Gespräche waren sehr freundlich abgelaufen. Ich möchte hier nur meine Erfahrungen teilen, mehr nicht.

Es geht um die Mühlen der Bürokratie, wenn man versucht, in professioneller und rechtskonformer Weise als Kleinunternehmer Kunden im In- und Ausland zu beliefern. Und diese Mühlen stehen nicht unbedingt nur in Deutschland. Die EU hilft kräftig mit. Und auch im Ausland muss man den Passierschein A38 erst mal kriegen….

Das Haus, das Verrückte macht

Wie komme ich an den Passierschein A38?

Regelungswut

Es sist mir völlig bewusst, dass man nichr einfach irgendwelche Produkte verkaufen kann, ohne bestimmte Dinge zu berücksichtigen. Aber die Überregulierung wird immer verrückter. Es ist ohne Hilfe fast unmöglich, alle Regelungen überhaupt zu kennen, geschweige denn zu beachten. Das führt dazu, dass manche Artikel nur als Halbzeug verkauft werden. Oder auf den ersten Blick unsinnige Angebote oder FAngebotsformate entstehen. Beispiel: Das Ziffernblatt einer Wanduhr aus Schiefer ist kein Problem, das Uhrwerk aber schon (WEEE). Und die Kombination aus Beiden auch. Kleinunternehmen werden also überproportional mit Regelungen belegt, die von der eigentlichen Herstellung von Produkten gehörig ablenken…

Abfalllizenzierung: Die Entsorgung der Verpackungkostet Geld. Das muss von den Versendern bezahlt werden. Soweit klar. Je mehr man verkauft, desto kleiner wird auch der Anteil der Lizenzgebühren Pro Einheit. Gut für Große, schlecht für Kleinunternehmer. Und eine europaweite Pauschale – Fehlanzeige. Das schließt bestimmte Länder von der Lieferung aus, weil sich eine Extralizenzierung nicht rechnet.

Batterieverordnung: Wer Batterien verkauft, muss sie auch zurücknehmen und entsorgen. Das ist der Grund, warum inzwischen viele batteriebetriebene Dinge ohne Batterien verkauft werden. Ich hab mich selber darüber geärgert, jetzt weiß ich auch, warum das so ist.

Elektrogesetz: Elektrische Geräte, und das sind auch kleine Lichterketten, Leuchtsockel, Uhren etc, unterliegen diesem Gesetz, das Händler dazu verpflichtet, diese zur Entsorgung registrieren zu lassen. Das geschieht mittels einer WEEE-Nummer. Hat man die nicht, ist es ein Verstoß gegen die Regeln. Das Registrieren ist relativ teuer und lohnt sich für Kleinunternehmer nicht. Es bleibt nur, bereits registrierte Dinge zu kaufen. Die sind aber oft deutlich teuerer, als der Kunde sie selbst kaufen kann…

Spielzeugverordnung: Die Untersuchungen, die notwendig sind, um ein Produkt regelungsgetreu verkaufen zu können, kann ein Kleinunternehmer kaum leisten. Es ist mir klar, dass keine schädlichen Stoffe in Kinderhände gelangen sollen. Weil ich das aber mangels der Kontrolle über Herstellungsprozesse der Materiallieferanten nicht sicherstellen kann, gibt´s bei N-Kram-BR keine Spielsachen. Und damit Kinder keine Modellbauartikel bestellen können, gibt´s ab jetzt die Checkbox zur Altersverifizierung…

Barrierefreiheit: Webshops müssen so gestaltet sein, dass auch Menschen mit Behinderung die Seiten ohne Hilfe nutzen können. Ds macht schon Sinn. Wie ich das aber genau machen soll, weiß ich nicht. Der einzige Vorteil für mich ist, dass ich erst noch neun Leute instellen muss, bis die Verpflichtung für mein Einn-Mann-Unternehmen greift. Für Vorschläge bin ich dennoch offen…

EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR): Die neueste Hürde aus Brüssel. Es ist noch nicht ganz klar, was da alles dran hängt. Bei meiner Seite beispielweise, muss bei jedem einzelnen Produkt der Hersteller mit Adresse und elektronischer Adresse aufgeführt sein. Und das auch, wenn Sie bereits auf meiner einzigen elektronischen Adresse, meiner Webseite sind. Ein einfacher Hinweis ins Impressum reicht wohl nicht. Daher entschuldige ich mich bereits jetzt dafür, dass Sie bei bald jedem einzelnen Produkt das halbe Impressum finden werden. Wofür brauche ich dann noch das Impressum? Achso, eigenes Gesetz.

Auf der Suche nach Motiven

Es ist mir völlig klar, dass man für Motive mit offiziellem Bezug, wie zum Beispiel Wappen oder mit Bezug auf Firmen eine Freigabe braucht. Das ist aber eine ziemliche Ochsentour. Problemlos war Wildflecken. Das war es aber bis jetzt auch schon. Was passiert da?
In dem Wissen, dass eine offizielle Freigabe erfolgen muss, nennen wir es Lizenz, habe ich bei diversen Firmen angefragt. Und bei mehreren Gemeinden, auch Städten, zuerst solchen, zu denen ich einen Bezug hatte. Manche Anfragen habe ich persönlich mit Muster gestellt, andere über Kontaktformulare und wieder andere verlangten einen Brief. Selbstverständlich habe ich den auch geschrieben und – keine Antwort erhalten. Schade, dass man nicht mal eine Antwort wert ist. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle auch bei allen denen bedanken, von denen ich eine Antwort erhalten habe, auch wenn sie negativ ausgefallen ist, und speziell bei denen, die mir eine Nutzung erlauben. Deren Wappen oder Logo können über die Shopseite auf verschiedene Produkte ausgewählt werden.
Allerdings ist es schon überraschend, wie viele, gerade der Firmenlogos, dennoch angeboten werden. Naja, vielleicht hab ich auch nur Pech gehabt…

Das österreichische Abenteuer

Grundsätzlich liefert N-Kram-BR nur innerhalb von Deutschland. Aber Ende November 2021 erreichte mich eine Bestellung aus Wien. Der Kunde hatte meine Artikel in Stuttgart auf der N-Convention gesehen und sie gefielen ihm. Das hat mich sehr gefreut und ich möchte gerne seine Bestellung erfüllen. Soweit so gut.

Eine Nachfrage bei Google ergab mehrere Möglichkeiten. Problemfelder waren die Umsatzsteuer und die Verpackungslizenzierung. Von “als Kleinunternehmer muss ich gar nix machen, einfach liefern”  bis “ich brauche eine österreichische UST-Nr. und muss diese nach Österreich abführen” waren alle Aussagen dabei.

Das österreichische Wirtschaftsministerium

Na gut, Google spuckte auch den Kontakt zum Bürgerbüro des österreichischen Wirtschaftsministeriums aus. Ja, die müssen es wissen, da kann man nachfragen. Also fragte ich am 1.12. an und erhielt am 1.12. als Antwort, dass “nach Rücksprache mit der ho Abt. für Gewerberecht, dürfen wir Ihnen mitteilen, dass in gegenständlicher Angelegenheit, von Seiten des BMDW, keine Zuständigkeit erkannt werden kann.” Immerhin waren die Links zu den Bürgerbüros des österreichischen Finanzministeriums und des österreichischen Umweltministeriums beigefügt.

Das österreichische Umweltministerium

Also richtete ich meine Frage an das Umweltministerium war hier, ob es eine Bagatellmengenregelung gibt, wie in einigen anderen EU-Staaten. Auch hier gab es widersprüchliche Aussagen, von “muss man erst ab 30.000€ Umsatz in Österreich” bis “vom ersten Paket an.” Immerhin kann man die Entsorgung selbt wahrnehmen, ich sollte vielleicht den Kunden bitte, das Schächtelchen und die Zip-Beutel zurückzuschicken. Das ist in jedem Fall billiger, als eine Lizenzierung, die ja nur bis Jahresende gilt.

Wir reden hier von einer Pappschachtel zu 37 Gramm PPK und Zipbeutel von etwa 15 Gramm Kunststoff. Mindestmenge für die Lizenz ist jeweils 1 Kilogramm mit 12€ Bearbeitungsgebühr.

Vom Umweltministerium erhielt ich am 16.12. die Information: “Eine Bagatell- oder Kleinmengenregelung für Haushalsverpackungen ist nach dem Abfallwirtschaftsgesetz oder der Verpackungsverordnung nicht vorgesehen.”

Das österreichische Finanzministerium

Frage an das Finanzministerium war, was ich denn in steuerlicher Hinsicht tun müsse. Es dauerte etwas bis eine Antwort kam. In einer e-mail wurde mir mitgeteilt, N-Kram-BR wäre “verpflichtet, sich beim Finanzamt G.-Stadt registrieren zu lassen und Umsatzsteuervoranmeldungen sowie Umsatzsteuerjahreserklärungen abzugeben”. Das geht als Kleinunternehmer nicht, ich darf die USt gar nicht ausweisen. Zuständig ist das Finanzamt G. Stadt. Freundlicherweise waren die Telefonnummern dabei. Man kann ja mal nachfragen.

Das Finanzamt G.-Stadt

Unter der angegebenen Nummer für ausländische Unternehmer erreichte ich Frau B.. Die sagte mir, dass “es keinen Handlungsbedarf gäbe, solange ich nur an Privatpersonen liefern würde, weil ich Kleinunternehmer sei und keine USt ausweise.” Aber sie vermittelte mich zum Herrn M.. Der war anderer Meinung, “weil die österreichische Kleinunternehmerregelung nur für österreichische Kleinunternehmer gilt.” Auf meine Frage, was ich denn tun müsse, damit wir im Falle einer Lieferung keine Probleme miteinander kriegen würden, eröffnete er mir zwei Optionen: Ich kann mich in G. registrieren lassen und die USt dort abführen oder ich kann mich meim OSS-Portal registrieren, da könnte die USt darüber laufen.” Ich begann mit der Recherche zum OSS-Portal, das steht für One-Stop-Shop. Und das Ergebnis:

In beiden Fällen hätte ich die USt verbotswidrig ausweisen müssen oder doppelt Steuern bezahlen müssen, was dann natürlich auf die Ware umgelegt werden hätte müssen.

Das für mich zuständige Finanzamt

Parallel dazu hatte ich bei meinem für mich zuständigen Finanzamt angerufen. Schwerpunkt hier war die Frage, wie ich es  in Deutschland handhaben muss. Sehr freundlich sagte Frau Z., dass sie nachfragen und sich wieder melden würde. Beim Rückruf erklärte sie mir, dass ich nichts extra beachten müsse. USt-ID habe ich, aber ich darf auf keinen Fall die USt extra ausweisen, was ich als Kleinunternehmer sowieso nicht darf. Auch in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung müsste der Umsatz nach Österreich weder extra gemeldet noch extra erfasst werden. Nach meiner Frage, ob ich dem österreichischen Staat im Falle einer Lieferung etwas schuldig sei, erklärte Frau Z., dass ich  ihrer Ansicht ich dem österreichischen Staat auch nichts schulde.

Fazit

Als Kleinunternehmer werde ich wohl vorerst beibehalten, nur innerhalb Deutschlands zu liefern, als deutscher Bürger werde ich mich selbstverständlich an die Aussage der für mich zuständigen deutschen Behörde halten.

Update 2023: Lieferungen in EU-Staaten mit Bagatellmenge sind bis zu insgesamt 10000€ EU-Umsatz möglich, erst dann muss ich die Steuern im Ausland abführen. Staaten mit einer Bagatellmenge bei der Verpackungslizenzierung werden damit beliefert, Österreich leider nicht, denn hier müsste ich  zur Verpackungslizenz sogar noch eine bestellte Kontaktperson haben. Das kann ich als Kleinunternehmer gar nicht leisten. Schade.